Kampf um Erwerbsminderungsrente

Liebe Forenteilnehmer !
Hoffentlich langweile ich Euch nicht mit meinem Beitrag, aber es ist mir ein Bedürfnis, dieses hier aufzuschreiben,allein auch wegen der Verarbeitung meiner Vergangenheit.
Geboren wurde ich 1958 in Bremen mit einer Handfehlbildung links, männlich, also heute 56.
Ich bin schwerbehindert mit einem GdB von 70.
Ich wuchs als einzigstes Kind meiner Eltern auf, behütet, eine schöne Kindheit.
Wir hatten ein Einfamilien-Reihenhaus mit schönem Garten. Ich war glücklich.
In der Schulzeit – so erinnere ich mich - wurde ich wegen meiner Behinderung immer ausgegrenzt, gehänselt und auch geschlagen. Ich war immer Opfer und konnte mich nicht so richtig wehren.
Nichtsdestotrotz machte ich das Abitur mit allerdings mässigem Erfolg.
Ich wollte Lehrer werden, also Beamter, weil meine Etern sagten, geh´ zum Staat, da ist es sicher, was anderes bleibt nicht für Dich.
Also studierte ich Lehramt, schaffte das Studium auch – aber das Referendariat zweimal nicht. Ich konnte mich nicht durchsetzen vor den Schülern – aus und vorbei mit der Lehrerkarriere.
Nach verschiedenen kleineren Jobs nahm ich einen erneuten Anlauf und wollte Verwaltungsbeamter werden.
Ich studierte dazu an der Verwaltungsfachhochschule in Köln und schaffte den Abschluss zum Diplom-Verwaltungswirt. Ich wurde versetzt nach Schleswig und bekam dort eine Stelle im gehobenen Dienst.
Und was ich dort erlebte, war dieses: Fieses Mobbing, Schikanen, Ausgrenzung – ein Kollege sagte mir später, er hätte gehört, wie sich mehrere andere zusammentaten und sagten:
Den machen wir fertig.
Später erfuhr ich, das besonders im öffentlichen Dienst und da explizit unter Beamten extrem gemobbt wird.
Ich sollte von einem mir untergebenen Kollegen dienstlich ausgebildet werden, so dass ich dann später sein Vorgesetzter mit Weisungsbefugnis werden sollte.
Dieser Kollege aber dachte überhaupt nicht daran und gab mir keine Informationen, die ich so dringend gebraucht hätte. Ich machte Fehler – und wurde noch in der Probezeit entlassen. Der Schock sass tief, ich brauchte Hilfe von Psychologen.
Geld bekam ich kaum mehr, weil ich als Beamter nicht arbeitslosenversichert war.
Ich machte eine PC-Weiterbildung und bekam durch viel Glück eine Stelle in einem Call-Center in Dänemark, wo ich mehr als 1 Jahr beschäftigt war. Die soziale Absicherung war wieder da.
Jetzt schrieb ich Bewerbungen. Ich war 40 und kaum Reaktionen darauf. Nach mehr als 2000 ! Bewerbungen auf alle für mich in Frage kommenden möglichen Stellen im öffentlichen Dienst und auch in der freien Wirtschaft reichte ich 5 Jahre später die Rente ein.

Doch jetzt ging der Kampf erst richtig los:
Ich trat in den SoVD ein, denn ich wusste, dass nur so ich eine Chance hatte, die Rente zu bekommen.
Nach der Routine-Untersuchung durch einen Allgemein-Mediziner bekam ich die Ablehnung der Rente.
Ich ging in den Widerspruch und musste zur REHA nach Schwerin.
Im Nachhinen, so stellte mein Therapeut fest, war das die für mich falsche Klinik.
Ich war zusammen mit Alkoholikern, Drogensüchtigen, Borderlinern. Noch nie zuvor hatte ich solche Menschen um mich.
6 Wochen lang REHA ist schon eine lange Zeit. Wie in der Grundschule musste ich Bilder malen, basteln, schwimmen und anderes mehr.
Jeden Tag ein volles Programm mit vielen Therapiestunden.
Es wurde mir suggeriert, dass es mir gut gehe, ich keine Depressionen habe und arbeiten gehen könne.
Mit Tabletten sollte ich ruhig gestellt werden – aber diese nahm ich unter einem Vorwand nicht.
Meine Therapeutin dort wolle mir die Rente geben, dürfe dies aber nicht wegen der „Quote“ und weil sie sonst selber ihren Arbeitsplatz verlieren würde.
Ich solle halt kämpfen, denn wenn ich es nicht tue, dann... Traurig, nicht wahr ?
Meine Rente wurde erneut abgelehnt.
Ich reichte Klage ein und zog vor das Sozialgericht.
Jetzt wurde von Amts wegen ermittelt.
Nach langem Hin und Her kam ein berufskundiger Sachverständiger zu dem Schluss, der Arbeitsmarkt sei für mich verschlossen. Arbeitsfähig wurde ich für unter 3 Stunden pro Tag eingestuft.
Ich bin mit meiner Schwerbehinderung ein Vermittlungshemmnis. Hinzu kommt die Diagnose Asperger-Autismus, welche ein Psychotherapeut herausfand, mit der ich überhaupt nicht arbeiten gehen kann.
Die Rentenversicherung akzeptierte das alles und die Rente war durch. Yeah ! Hat alles in allem 5 Jahre gedauert. Eine furchtbare Zeit liegt hinter mir; eine Odysse von Gutachter-, Psychologen-, Therapeutenbesuchen und was-weiss-ich-noch-alles ist zu Ende. 😃 😃 😃 😃 ... usw. Das war`s denn.
Alles in allem geht es nur um Geld. Es soll gespart werden auf dem Rücken der Kranken und Behinderten. Hier muss man einfach für seine Rechte kämpfen, sonst hat man echt verloren.
Ich bekomme nicht viel Geld – Rente wird durch Grundsicherung aufgestockt, aber ich bin zufrieden und glücklich und habe meine Ruhe.
Die grosse Liebe fand ich auch.
Wir leben nun ein Leben zu zweit, sie ist berufstätig, ich Hausmann.
Im übrigen bekam ich eine Krankheit hinzu, mit der ein Arbeiten nahezu unmöglich ist: MS (Multiple Sklerose).
Ich bin deswegen eigentlich ständig unter Aufsicht der Ärzte und im Krankenhaus.
Kinder wollten wir nun nicht mehr, da wir der Meinung sind, das so die Basis für eine Familie fehlt. Im übrigen bin ich mit 56 wohl auch zu alt für so ein Unterfangen.
Wir haben uns nun auf Hobbies fokussiert:
American Line-Dance, Camping (wir haben einen Wohnwagen mit Dauer-Stellplatz an der Ostsee), Reisen, die Türkei und Kochen.
Demnächst auch Modellbau (dieses aber speziell für den Mann).
Im Rentenalter wollen wir Deutschland verlassen und in die Türkei auswandern.
Alanya ist der Ort. Jetzt beschäftigen wir uns viel mit dem Land underer Träume und lernen Türkisch.

Wer mehr wissen will, kann mich kontaktieren unter
Klausi111

Ich würde jedem raten, der in ähnlicher Situation ist, niemals aufzugeben, immer weiter zu kämpfen. Irgendwann gibt die Gegenseite auf. 😡
Nach dieser ganzen Sch... ist das Leben dann ganz anders. Kein menschenunwürdiges Hartz IV mehr, keine Ämter mehr, die einen schikanieren... Das liegt nun alles hinter einem.

Bye.



Antworten


  • Guten Morgen Klaus,..

    Langweilig ist dein Beitrag nicht, es ist einer von zu vielen. Das war mein erster Gedanke als ich es gelesen haben.

    Nur am Ende hast du gewonnen durch die Kraft in dir selbst, dir deine Rechte zu erhalten. Es ist wichtig das man nicht aufgibt, das man an sich glaubt. Und wer dies tut auch in schwierigen Situationen der / die kommt bei seinem Gegenüber ganz anders an.

    Es freut mich sehr für dich, deine Partnerin das sich dein Leben so positiv verändert hat in vielen Lebensbereichen.

    Eine Frage hätte ich doch. Habt ihr keine Angst davor in die Türkei zugehen nun wo es überall so unruhig ist in der Welt ? Nur vielleicht ist es anders, wenn man diese Dinge gemeinsam anpackt. Ich wünsche euch alles Gute und ganz viel Lebensfreude, Mfg Lyn😉
  • Hallo Lyn,

    danke erst mal ganz herzlich für Deine Antwort.
    Nein - Angst haben wir nicht. Da wo wir hingehen wollen,
    hat das mit der richtigen Türkei auch nicht viel zu tun.
    Das ist rein touristisch geprägt. Die Stadt heisst Alanya
    und da wohnen mittlerweile 20000 Deutsche. Vorwiegend Rentner,
    die da ihren Lebensabend verbringen. Zuerst wollen wir auch nur
    "überwintern", weil das Wetter hier im Winter furchtbar ist.
    Dort gibt es minimal +10 Grad im Winter, das ist schon was anderes.
    Es gibt auch viele Videos im Netz, schau mal hier:
    Ruhestand unter Palmen
    Auf nach Alanya 1 -5
    Deutsche Rentner in der Türkei 1 - 2
    Es muss natürlich jeder selber wissen. Wir kennen den Ort Alanya
    durch diverse Urlaube, waren bestimmt schon mehr als 10 mal da.
    Es ist für uns die Erfüllung unseres Lebenstraumes.
    Wenn ich für mich spreche, möchte ich dort einmal mein Leben beendet
    wissen.
    Wenn Du noch mehr wissen willst,
    kontaktiere mich ruhig.
    MFG
    Klaus(i111)
  • Noch eins: Die menschliche Umgangsweise ist oft das allerletzte hier, was ich so oft schon erlebt habe - mit vielen Enttäuschungen verknüpft.
    Und behinderten Mitmenschen wird oft sehr rüde mitgespielt.
    Ich habe Glück gehabt, dass ich eine liebe Frau fand, die das Leben mit mir teilt.
    Es ist extrem schwer, auf normale unbelastete Menschen zu stossen.
    In der Berufswelt haben alle nur Angst um ihren Arbeitsplatz, um ihren Status, um ihre ach so heile "Scheinwelt", um ...
    Unzumutbare Arbeitsbedingungen und Mobbing muss man nicht hinnehmen.
    Ich habe mich erfolgreich dagegen gewehrt, auch wenn es viel Kraft gekostet hat.
    Denn: Wer hier nicht kämpft, hat schon verloren.




  • Hallo Klausi,

    vielen Dank, dass Du deine Erfahrungen mit der Community teilst 😀

    Ich habe mir erlaubt, die Bewertung Deines Threads auf 100% zu setzen. So sieht man auch gleich in der Forenübersicht, dass hier keine Hilfe gebraucht wird, sondern hier nützliche Informationen drin stecken 😉
  • Hallo Klausi,

    warum musstest Du eigeauf REHA?
    Wusste man da von Deinem Asperger noch nicht?
    Eine REHA bei Asperger ist 100% sinnlos da unheilbar.

    Wir haben schon mal geschrieben und ich habe noch mal ein halbes Jahr versucht zu arbeiten. Nun kann ich nicht mehr. Ich habe wohl alles wirklich alles versucht. Es geht nicht.

  • Hallo Kati,
    der Thread ist 2 Jahre alt, ob da noch jemand reagiert?
    Die Reha ist auch dafür gedacht die tatsächliche Arbeitsfähigkeit raus zu finden, sehr wichtig für die EU-Rente.
    Gruß Hippy
  • Also ist Reha IMMER gefordert? Asperger ist halt 100% unheilbar.
  • Ob immer weiss ich nicht, aber bei mir und alle die ich kenne welche EU-Rente beantragt haben war es so.
    Gruß Hippy