Behindertenfeindlich

Es kann leicht passieren, dass Sandra Brandlhuber etwas aus der Hand rutscht, der Ausweis zum Beispiel oder die Fahrkarte. Die 44-Jährige leider unter einer seltenen Autoimmunkrankheit, in deren Folge sie schon sieben Schlaganfälle hatte, die rechte Hand kann sie kaum einsetzen. Mindestens vier bis fünfmal in der Woche ist Brandlhuber mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, tingelt von einer Therapie zur nächsten. Damit die 72 Euro teure Jahreswertmarke, die sie als Behinderte berechtigt, kostenlos alle öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland zu benutzen, nicht dreckig wird, wenn sie mal wieder auf den Boden fällt, hat ihr Vater die Wertmarke laminiert.

Das hat nie jemand beanstandet. Bis vor ein paar Wochen. Da wurde die heute bei Freising lebende Frau Opfer eines sehr gründlichen Fahrkartenkontrolleurs. Vor allen Leuten bezichtigte er die Behinderte des Betrugs. Bei der Wertmarke handelte es sich nach seiner Überzeugung nämlich um eine Kopie. Um das zu vertuschen, habe sie das Papier eingeschweißt.

"Ich war so verdattert, ich habe sofort den Ausweis gezückt, ich konnte gar nicht mehr klar denken", sagt Sandra Brandlhuber. "Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin." Moniert wurde auch, dass ihr Behindertenausweis laminiert ist. Das mache ihn ungültig, belehrte sie der Kontrolleur, sie brauche einen neuen.
Protestbrief an Bahn-Chef Grube

Dann flatterte der schwerbehinderten Frau auch noch ein Bescheid des MVV ins Haus, sie habe die erhöhte Beförderungsgebühr von 40 Euro zu entrichten, weil sie ohne gültigen Fahrschein gefahren sei. Über diese Behandlung tief erzürnt schrieb ihr Mann einen Protestbrief an den Vorstandsvorsitzenden der Bahn Rüdiger Grube höchstpersönlich. Das zeigte Wirkung: Tatsächlich erließ die Bahn ihr die Geldstrafe, ohne aber von seiner Behauptung abzurücken, Sandra Brandlhuber sei mit einer gefälschten Wertmarke angetroffen worden. "Das geht doch nicht, dass eine behinderte Person, die nur ihre Wertmarke schützen möchte, dafür wie eine Kriminelle behandelt wird", ärgert sich Sandra Brandlhuber.

Im MVV-Gemeinschaftstarif heißt es: "Fahrkarten, die zerrissen, zerschnitten oder sonst stark beschädigt, stark verschmutzt, unleserlich oder unerlaubt eingeschweißt oder laminiert sind, so dass sie nicht mehr geprüft werden können, sind nicht gültig." Die Echtheit der Marken lässt sich im Zeitalter des Fotokopierers mit dem bloßen Auge oft kaum mehr feststellen, nur durch Betasten und Überprüfen über die Oberflächenbeschaffenheit des Papiers, daher die Regelung.

Reinhard Dippold, der bei den Stadtwerken Dachau für die Verkehrsbetriebe zuständig ist, hält es jedoch für lebensfremd, dass jeder Fahrgast die Geschäftsbedingungen des MVV liest. Und Wolfgang Rettinger, Behindertenbeauftragter des Landkreises Dachau, ist über den Vorfall richtig sauer: "Das ist kleinlich."

Damit es anderen nicht so ergeht, wie Brandlhuber, weist Rettinger ausdrücklich darauf hin, dass im Öffentlichen Nahverkehr (MVV) und in der Deutschen Bahn (DB) laminierte Schwerbehindertenausweise und Jahresfahrkarten nicht anerkannt werden. Rettinger rät deshalb, Ausweis und Fahrkarte in einer Schutzhülle aufzubewahren. "So wird einer Abnutzung oder Verunreinigung vorgebeugt und es fällt kein erhöhtes Fahrpreisentgelt an." Brandlhubers Vater, der in Dachau lebt, hofft deshalb sehr, dass seine schwerbehinderte Frau in diesem Jahr nicht mehr kontrolliert wird. Ihren Ausweis hat der wohlmeinende Laminator nämlich ebenfalls sicher, aber rechtswidrig eingeschweißt.

Antworten

  • Boa hab ich mich grade aufgeregt, das passt zu den Artikeln im Rolling Planet. Unmöglich wie man teilweise Behandelt wird.

    Sie hat mein Mitgefühl, und wünsche ihr Kraft und Stärke weiterhin. Keiner von uns Sollte so behandelt werden.

    Vielleicht sollten die Ämter mal Pass Schutzhüllen herstellen. Pffff
  • Danke für den Hinweis.

    Nächstes Mal vielleicht einfach ein paar einleitende Zeilen und einen Link zur Quelle setzen 😉
  • hallo Yeggdrasil 😀

    Es ist schon verwirrend was uns die behörden manchmal zumuten..

    ich haben eine parkausweis für schwerbehinderte , weil ich kein aG habe , sondern nur ein G ,damit kann ich nun endlich seid einigen monaten direkt am arbeitsplatz parken ,ohne alle 2 std rauszulaufen und die parkscheibe neu einzustellen , was ja auch nicht erlaubt ist. 🥺

    nachteil dieses ausweises ist aber , er vergilbt schnell in der sonne und da mein Pkw den ganzen tag in der sonne steht , war der ausweis nach knapp 4 monaten total verblichen...

    Kontrolle vom ordnungsamt war da , sehr freundlich der mann , hat mich darauf aufmerksam gemacht , das der ausweis sonicht
    lesbar ist und ich möchte mir doch einen neuen besorgen und diesen dann gleich l.a.m.i.n.i.e.r.e.n , dann vergilb der auch
    nicht mehr 😃 , das habe ich dann auch gemacht und bis jetzt is alles jut gegangen 😆 , dann will ich ja nicht hoffen das der neue nun eines tages wegen der laminierung beanstandet wird 🥺 deutsche gründlichkeit 😛
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