Umgang mit burnout und Depression

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Hallo liebe Forumsmitglieder.
Ich bin neu hier und suche auf diesem Weg Hilfe.
Ich schreibe einfach 'mal, wie's mir momentan so geht:
ich habe derzeit im beruflichen Leben extremen Stress. Ich bin Leiter von drei Fachabteilungen mit insgesamt 19 Mitarbeitern an zwei Standorten. Seit Oktober habe ich einen neuen jungen (33 Jahre alt), dynamischen Vorgesetzten, der "frischen Wind" in die Firma bringen soll. Alle Gespräche, auch technischer Art, laufen in englisch ab, was ich kann, aber nicht bis in die notwendige technische Tiefe. Dadurch kommt es zu Missverständnissen, die von ihm dann als fehlende Kompetenz meinerseits betrachtet werden. Zudem werde ich gedrängt mehr zu "pushen" und "more pressure" auf das team (meine Mitarbeiter) auszuüben. Er selber sagt immer nur, was meine Aufgabe ist, gibt aber keinerlei Hilfestellung (scheint auch fachlich nicht sehr bewandert zu sein; reiner "Theoretiker").
Gleichzeitig wird das team verkleinert und parallel mehr Aufgaben "reingedrückt". Schon allein dadurch schlafe ich kaum noch und bin mit den Gedanken in der Nacht nur noch an den Problemen in der Firma.
Zusätzlich ist mein Vater jetzt mit massiven Altersdepressionen und Wahnvorstellungen ins Krankenhaus (geschlossene Psychiatrie) eingewiesen worden und ich muß mich auch noch darum kümmern.
Parallel kommt dazu, daß mein Vater als Hobby Holz machen hatte und wir deshalb einen zentralen Kaminofen als Heizung haben, den ich nun incl. allen "drum und 'dran auch noch "befeuern" darf.
Bei alle dem kommt meine kleine Tochter von 9 Jahren und meine Frau natürlich extrem zu kurz und ich belaste die ganz Familie mit meinen "negativen Gedanken".
Diese stellen sich als Zukunftsängste/Versagensängste extrem dar. Hinzu kommen die Schlafstörungen (ich schlafe seit rund 8 Wochen nur noch zwischen 3 und 4 Stunden jede Nacht) und die daraus auch resultierende komplette phyische Müdigkeit gepaart mit Krankheitssymptomen (Gelenk-, Kopf- und Rückenschmerzen, Erkältungserscheinungen).
Ich weiß derzeit kaum noch ein noch aus und auch die ersten Suizidgedanken kreisen schon in meinem Kopf.
Wie kann ich aus diesem Teufelskreis entkommen und was würdet ihr als erste Schritte empfehlen?
Neuroplant und Neurodexan helfen als Medikamente schon gar nicht mehr.

Vielen Dank für Eure Unterstützung !!!!!

Antworten

  • Hallo Andreas,

    oh wei, da hat es Dich ja dick "erwischt".

    Es ist immer etwas schwierig, von außen und ohne einer Person oder die genaueren Umstände zu kennen, etwas zu sagen, aber die Dinge, die mir so einfallen würden, wären:

    - Als Sofortmaßnahme Urlaub nehmen oder, wenn Du den schon verbraucht hast oder nicht dafür nehmen willst, krankschreiben lassen und zwar unbedingt bald. Das hat dann eventuell auch den Vorteil, dass Dein Chef mehr direkt mit Deinen Mitarbeitern zu tun hat und vielleicht ein bisschen mehr Verständnis für Eure Abteilungen gewinnt. Und in dem Urlaub dann auch unbedingt etwas Erholsames für Dich tun, vielleicht ein paar Tage wegfahren oder so. So kannst Du einmal wieder "durchatmen" und damit vielleicht auch Deine Gedanken ordnen.

    - Methoden überlegen, wie Du die Missverständnisse mit Deinem Chef minimierst. Also zB nach einer Besprechung ein kurzes Protokoll schicken und um Bestätigung bitten, dass Du alles richtig verstanden hast.

    - Dritte (also zB jemand von Deinen Mitarbeitern) in die Interaktion mit Deinem Chef einbeziehen. Erstens um Missverständnisse zu vermeiden, zweitens damit Du Unterstützung hast, wenn Du eventuell einige Vorschläge/Anweisungen von Deinem Chef hinterfragen möchtest, drittens damit Du vielleicht vor Deinen Mitarbeitern weniger als "Buhmann" darstellst, wenn es neue Aufgaben und mehr Druck gibt.

    - Dir ingesamt Alliierte in Deinem Betrieb suchen - gibt es zB einen Betriebsrat? Mit wem von Deinen Kollegen kannst Du gut? Ich finde nicht, dass mensch als Angestellte solchen Druck einfach weitergeben oder akzeptieren muss. Dem etwas entgegen zu setzen ist aber einfacher, wenn man zu mehreren ist. Vorsorglich Mitglied einer Gewerkschaft werden würde ich auch empfehlen.

    - Überlegen (mit Deiner Frau, Freunden etc.) wie bei Deinen familiären Anforderungen Entlastung geschaffen werden kann. Könnt Ihr zB nicht eine Haushaltshilfe einstellen, die sich um den Kamin kümmert? Euch das Holz (eventuell für einen begrenzten Zeitraum) liefern lassen, statt es selber zu machen? Wer außer Dir kann sich noch mit um Deinen Vater kümmern (Deine Geschwister, FreundInnen etc.)? Wenn Du ganz ausfällst, ist niemand in Deinem Umfeld geholfen und sie müssen dann auch für Dich einspringen.

    - Ggf. eigene Ansprüche für eine Zeit herunterschrauben. Wenn Du es zB gerade nicht schaffst, Deinen Vater so oft zu besuchen, wie Du eigentlich denkst, es sei nötig, dann ist es halt gerade einfach nicht drin, und er muss mal mit weniger besuchen auskommen.

    - Wäre es eine Option, Dich woanders zu bewerben? Selbst, wenn Du das dann am Ende nicht "durchziehst" könnte das eine Möglichkeit sein, Dir zu vergegenwärtigen, dass Du, außer in dieser Firma zu arbeiten, vielleicht noch andere Optionen hast.


    .... und zögere bitte nicht professionelle Hilfe durch Beratungsstellen (in Berlin wäre das zB so etwas http://www.berliner-krisendienst.de/) , einen Coach, ggf. einen Therapeuten in Anspruch zu nehmen - Pillen allein sind auf Dauer wirklich keine Lösung! Jemand Externes kann Dir eventuell durch gezielte Nachfragen sehr gut helfen, zu klären, wie Du da rauskommst.

    Ich wünsche Dir, dass Du Lösungen findest und sich die Sache zum Guten entwickelt,

    ananim
  • Hallo Andreas1968,

    zunächst einmal herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀
    Eine Übersicht, wie das bei uns funktioniert, bietet dieses kurze Video (selbstverständlich auch mit Untertiteln): http://www.myhandicap.de/guided-tour.html

    Du hast aus der Community schon einige gute Hinweise erhalten (vielen Dank dafür, ananim 😀 ).

    Das Gute ist, dass Du die Ursachen für Deinen Stress bereits identifizieren konntest. Jetzt musst Du auch an diesen Ursachen arbeiten und nicht einfach alles mit Medikamenten unterdrücken.

    Ein wichtiges Werkzeug zur Lösung vieler schwieriger Situationen ist Kommunikation.
    Sprich zunächst mit Deiner Familie, damit sie Deine Situation versteht und dich unterstützen kann.
    Sprich außerdem mit Deinem Vorgesetzten. Ggf. auch gemeinsam mit dessen Vorgesetzten.

    Sicher wird man dann eine Lösung finden.

    Wenn wir Dich noch in irgendeiner Form unterstützen können, zögere bitte nicht uns zu kontaktieren.

    Gern kannst Du an dieser Stelle auch berichten, wie es weiter geht.
  • Hallo zusammen.
    So, als erstes habe ich "Sorge Dich nicht - lebe" wieder hervorgeholt. Wie konnte ich das bloß so weit nach hinten in den Schrank stellen!
    Die ersten Seiten bringen einen schon wieder auf andere Gedanken.
    Dann parallel fünf Bewerbungen geschrieben; denke, daß ist der richtige Weg.
    Lange Gespräche mit meiner Frau geführt, die mich zum Glück 100%ig unterstützt und auch die "Unsicherheit" eines neuen Job's und ggf. weniger Gehalt jederzeit akzeptiert.
    Zum Glück habe ich jetzt ein paar Tage frei und kann mich auf mein Privatleben konzentrieren.
    Im neuen Jahr werde ich sofort Gespräch mit Chef und ggf. dessen Chef und Betriebsrat suchen (bin zum Glück in der Gewerkschaft) und versuchen eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
    Ziel ist ein anderer Job mit weniger Verantwortung, wobei ich glaube, in dem Unternehmen sowieso nicht mehr glücklich zu werden.
    Deshalb sehe ich das nur als "Zwischenschritt" auf dem Weg in eine andere Firma / einen neuen Job.
    Sollte das nicht funktionieren und man kein Entgegenkommen zeigt werde ich umgehend einen Arzt aufsuchen, da ich mich nicht weiter verbrennen lasse - das ist mir der Job und das Geld nicht wert!!!
    Will nur hoffen, daß dann nicht meine Kollegen "verbrannt" werden, aber ich werde nicht als Martyrer enden!!!!
    Danke schonmal für die aufmunternden Worte und ich werde Euch auf dem Laufenden halten!!!
  • Hallo Andreas,

    ich kann mich anamin nur anschließen.

    Da ich selbst auch eine Depression habe kann ich Dich gut verstehen. Auch meine alten Eltern heizen mit Holz, nur dann ist die Bude im Winter immer kalt. Weil ja auch gespart werden muß.

    Lasse Dir helfen von Deiner Familie, Freunden. Wenn Dein Vater in der Klinik ist wird er wohl länger ausfallen.

    Kauft genug Holz damit Ihr eine warme Wohnung habt und überlegt Euch ob ihr nicht doch eine andere Heizung in das Haus machen lasst. Wenn der Winter so hart wird wie der vorherige Schnnee und Eis bis Anfang April dann braucht Ihr viel Holz oder Kohle.

    Speche mit deiner Frau wenn Du merkst das es Dir immer schlechter geht. Der Ehepartner ist sehr wichtig, nim sie mal imn den Arm genauso wie deine Tochter.
    Die Ehe leidet sehr unter dieser Krankheit, zeige Deiner Frau das du sie liebst.

    Gehe auf jeden Fall zu einem Arzt (Neurologen) der kann Dir auch helfen. Die Gespräche mit dem Arzt tun mir gut, können auch Dir Kraft geben.
    Ich bin in Psychologischer Behandlung das tut gut.


    Du must nicht "Alleine die Probleme der Welt tragen" lasse mal die 5 eine "gerade" Zahl sein.

    Deinen Vater mußt du auch nicht jeden Tag besuchen, tue nur das was auch möglich ist.

    Wünsche Dir viel erfolg bei der Arbeitsuche!

    Dir und Deiner Familie ein Frohes Fest und einen Guten Rutsch

    Gruß

    Gastone
  • Wenn uns Dinge über den Kopf wachsen, dann ist das immer eine kraeftezerrende Angelegenheit.

    Man sollte bei der Suche nach einer passenden Lösung nicht versäumen, seine eigenen Bewältigungsstrategien auf Verbesserungsmoeglichkeiten hin zu überprüfen.
    Das wäre eine Investition in die Zukunft - sowohl beruflich als auch privat.
    Psychologische und ärztliche Psychotherapeuten sind ausgebildet darin, Klienten bei der Potenzialentwicklung zu unterstützen. Angesichts von Symptomen psychischer Überlastung, die sich bereits in Suizidgedanken zeigt, ist die Hilfe dort m. E. angezeigt. Die Familie leidet auch schon mit dir. Aber leidet sie nicht auch an deinem Umgang mit der Situation?
    Beim Jobwechseln nimmt man sich selbst mit, was natürlich nicht heißt, dass die Situation nicht besser werden kann. Ist die Frage, ob einem das reicht, wo eine umfassendere Zufriedenheit wohlmoeglich zu haben wäre.

    Was gäbe es zu verlieren?
    Größe genug, sich Unterstützung zu holen, hast du schließlich. Präsidenten haben Berater, professionelle Berater entsprechend der Aufgabenstellung.

    Warum ein Buch lesen, dass maximal kurzfristig tröstlich sein kann, einen neuen Job mit seinen Belastungen erst einmal erproben, um dann - wenn es nicht reicht (Holzheizung, familiäre Atmosphäre noch angespannt ..) und man beim neuen Chef schon als unzureichend belastbar aufgefallen ist, ... Warum erst dann, professionelle Unterstützung?

    Anstrengend ist die Arbeit an sich selbst natürlich und wer wäre nicht gern stets und trotz aller Widrigkeiten in allen Lebenslagen kompetent und unabhängig. Sind wir Menschen nicht. Psychotherapie ist Arbeit, aber sie kann sich lebenslang auszahlen.

    Wichtig bei einer Entscheidung für professionelle Hilfe: Psychologische/r oder ärztliche/r Psychotherapeut/in sind geschützte Berufsbezeichnungen, sodass eine gute Ausbildung vorliegt. "Psychotherapie" ist keine geschützte Bezeichnung, sodass es viel Unsinn im Angebot gibt. Therapeut/in und Klient/in müssen sich die Zusammenarbeit insgesamt gut zusammen vorstellen können.


  • MyHandicap User
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    Hallo zusammen.
    So, "Zwischenstatus": kurz vorweg, mir geht's ein bißchen besser. Bin bei weitem noch nicht da, wo ich wieder sein möchte, aber auf dem Weg dorthin. Habe mit unserem Betriebsrat und meinem Vorgesetzten gesprochen und um eine Versetzung auf einen weniger stressigen Arbeitsplatz gebeten; hier ist man jetzt aktiv, 'mal gucken, was man mir anbietet. Mein Vater bekommt so viel Zuwendung, wie möglich, aber erst einmal ist der Umzug fast fertig (habe ich an ein günstiges Unternehmen vergeben um wenig selber zu machen) und ich habe den Papierkram "im Griff".
    Parallel danke ich dem lieben Gott für diesen warmen Winter!!!!! Ich kriege aktuell alles locker beheizt und habe Holz genug, auch wenn's jetzt 'mal kälter werden sollte.
    Neue Heizung werde ich dieses Jahr von einem Bekannten installieren lassen und denke, das bringt mich finanziell auch nicht in den Ruin (habe ja zum Glück was auf die Seite gelegt).
    Parallel werde ich mit meinem Hausarzt sprechen und versuchen schnellstmöglich eine Therapie oder sogar eine Kur zu bekommen (haben einige meiner "Hierarchiekollegen" im Unternehmen auch schon bekommen - burn out ist in meiner Ebene "in", d.h. alle stehen extrem unter Druck, so schlimm das auch klingen mag!).
    So, nochmals danke für Eure Unterstützung und ich bleibe am Ball. 😆
  • MyHandicap User
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    Hallo, danke für das Update. Das klingt doch, als hättest Du ganz schnell gute Entscheidungen nicht nur getroffen, sondern auch umgesetzt - sehr gut!
    Ich wünsche Dir, dass es weiter aufwärts geht und 2014 ein gutes Jahr für Dich wird.

    Beste Grüße, ananim
  • MyHandicap User
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    Hallo Andreas,

    das sind doch schon sehr positive Entwicklungen. Schön zu lesen.

    Weiterhin alles Gute!

    Wenn wir Dich noch irgendwie unterstützen können, zögere bitte nicht, uns anzusprechen. Wir alle hier freuen uns, wenn wir helfen dürfen 😀
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