Wie dringend erachten Sie medizinische Grund-Ausbildung über Seltene Krankheiten?

Was brauchen Sie von der Medizin, um sich richtig behandelt zu fühlen?


Antworten

  • Orphanbiotec hat geschrieben:
    Was brauchen Sie von der Medizin, um sich richtig behandelt zu fühlen?


    Das Gefuehl, dass sie sich wirklich auskennen und korrekte Diagnosen, gute Therapie und wirklich gute Vernetzung untereinander.

    Wenn es so ist:
    - dass man mir NICHT von Anfang an auf die zu erwartende Ueberlastung des vorhandenen Arms / Hand hinweist, obwohl das alle Armamputierten angeht betrifft und gemeinhin bekannt ist wie ich zwischenzeitlich jetzt auch raus gefunden habe,
    - NICHT eine spezifisch bei Ueberlastung verursachenden Taetigkeiten lastvermindernde Prothese verschreibt und ev. die dazu noetigen Fragen auch stellt, sondern was immer sonst, und
    - die Prothese dann auch so baut dass sie diesen Belastungen wirklich standhaelt, statt mich 4 Jahre lang jeden Haennenschiss an dem verdammten Ding selber troubleshooten zu lassen, was mich so viel Zeit und Nerven und Aerger kostete,
    - dass ich die Hautprobleme die wegen den Standardlinern offenbar viele haben, auch erst > 1/2 Jahr haben muss und selber mit meiner Dermatologin langsam drauf kommen muss was da los ist, und ich mich dann selber um die Verschreibung der neuen Liner kuemmern muss, wobei das offenbar die Fachleute alle wussten aber nie was erwaehnten davon sondern den Klienten wie auch mit anderen Sachen einfach mal fadengerade in den Hammer laufen lassen,
    - dass ich selbst der bin, der den Komponentenherstellern sagen muss was fuer unbrauchbares Zeug da gebaut wurde und das nicht die verbauende Medizinalperson fuer mich tut einfach weils er sich nicht traut, und man dann den Aufwand hat solche Rueckmeldungen selbst durchzuziehen, wobei auch die Prothesenhersteller im Kundenservice stets ausschliesslich erst mit grosser Arroganz daherkommen, ohne von der eigentlichen Sache wesentlich mehr als ein Laie zu verstehen,
    - wenn sie Kabelzuege so bauen, dass es sie bei mir 2 Jahre lang alle 1-2 Wochen auframscht und zerreisst, dass auch die andere Referenzklinik hier keine Ahnung hat was tun und ich dann selber das Ding voellig neu entwerfe aufhaenge verbaue und das als Patent einreiche worauf was wunder das Teil erstmal am Stueck 9 Monate haelt, ..
    - wenn weder Krankenkasse noch IV verstehen was ich mit Einschraenkung meine, einfach weil ihnen Interesse und Wissen fehlen, worauf ein Antrag von mir, der dem Sozialwerk in den naechsten 15 Jahren bei mir etwa 200'000 bis 300'000 Franken gespart haette, bei beiden Kassen jeweils der anderen Kasse zugeschoben wurde, bis heute abgelehnt ist, aber technisch schlechtere Teile fuer wahnsinnig viel Geld bezahlt werden stattdessen,

    ... dann habe ich halt mit der Zeit dann schon das sehr starke Gefuehl dass da meist verdammte Amateure am Werk sind, die weder von Behinderung noch dem ihnen anvertrauten Geld auch nur den Pieps einer Ahnung haben. Echter Unfug was da teilweise gemacht wird. Dann geht man v.a. misstrauisch und argwoehnich hin weil man nicht vermutet sondern weiss, au weia.

    Seit ich einen Sommer lang versuchte, wo meine alten Liner gammelig, schimmlig und voellig aufgetragen waren, bei der IV-Stelle in Zuerich die Bewilligung fuer neue Silikonliner zu erhalten, was weils Verbrauchsmaterial ist das ich weit ueber die Grenze des Tolerablen auftrug auch ohne jegliche Verhandlung duchzuwinken ist, was aber bei den Denkemeistern der IV dazu fuehrte, dass sie mich erst das Formular fuer eine Neubeurteilung ausfuellen liessen, dass dann ewig der Antrag gar nicht geschickt wurde von der Orthopaedietechnik, dass sich die erste IV Person dann am Telefon auffuehrte wie ein Wald voll Affen und ich ihr dann derart fadengerade mit verbalem Nitroexpress die Welt so erklaerte dass der ganze Geldspeicher (nicht nur der Groschen) bei ihr runterfiel so dass ihre Chefin mich anrief und mich eizuschuechtern versuchte, worauf ich auch diese Nuss erst in den Senkel stellen musste bis es bei ihr fugte, fuer was ich nicht arg lang brauchte, worauf sie nachher anrief und sich endlich fuer den Saftladen entschuldigte und ich aber trotzdem noch 10 Wochen mit stinkenden juckenden Linern rumlaufen mussten, ist das Gefuehl weg, dass das verdammte Amateure am Werk sind. Seither WEISS ich das mit 10 km Wassertiefe gefrorener Sicherheit, dieses Gefuehl ist seither resignierter Geloestheit gewichen.

    Diese Erfahrungswerte jetzt wegzuputzen, da muss sich so ein vermuteter Amateur gewaltig anstrengen. Sage niemals nie aber ich denke nicht mehr, dass es sowas in der Schweiz gibt.

    Ich denke es hilft schon, wenn
    - nicht *jedes* *mal* der neue Probenschaft wie immer bisher 3 cm Ueberlaenge hat und man mir zu versichern versucht es ginge nicht anders - wie schwer kann es sein, meinen Arm zu vermessen, ich bin 45, wachse doch nicht mehr,
    - man meine funktionellen Belange auch seitens Aerzte ernst nimmt statt zu sagen "ja" und dann die Sache beiseite zu legen
    - die Kassenvertreter sich Dinge erst im Detail so erklaeren lassen, dass sie es wirklich verstehen.

    Bis "richtig behandelt" Realitaet wird, muesste ein Wunder geschehen. Ich habe groesste Zweifel, dass es sowas im weiteren Umkreis hier gibt.

    Das Gefuehl das man mit der medizinischen und technischen Behandlung im Zusammenhang mit dem kaputten Arm hat ist am besten beschrieben als etwa 700 kg schweren Kuhkadaver, den man alleine einhaendig ueber eine Strecke von 1000 Kilometer schleifen muss. Es kommt nie das Gefuehl frischer Luft auf. Man verbringt Tage damit, das Ding auch nur ein paar Zentimeter vorwaerts zu bringen. Es tut einem alles so weh. Man schwitzt sinnlos. Bis man technische Tricks raushat dauert es Wochen oder Monate. Dann geht es ev. am Tag 1 mm weiter. Und am Ende ist es nur ein stinkender Kuhkadaver und man ist so ausgelaugt und alle. Das ist so die Vision, die sich mit dieser Gesamtsituation Behinderung und medizinische / technische Behandlung bei mir verbindet. Ein Alptraum ist toll dagegen, der geht vorbei. Also, es ist ueberhaupt nicht gut, was das Grundgefuehl angeht. Ganz weit davon entfernt.


    Armamputationen sind sehr selten, etwa 10 pro 100'000. Unterarmamputierte sind seltener, etwa 1/50'000. Suizide machen bei Unterarmamputierten Veteranen 20%, bei anderen Amputationen unter 10% aus laut einer Studie. Orphan Disease Vereinigungen anerkennen das Problem nicht. Ich sags Euch - Du wirst mit der verdammten toten Kuh alleine gelassen, echt wahr. Es gibt KEINE Solidaritaet. Keiner der sich so auskennt dass man nicht noch mal alles von Grund auf neu erklaeren muss. Und GAR keiner der mir sagt pass auf die Zukunft ist so, da kommt dies oder das auf Dich zu.


    Aber wenn man ganz viel Geduld mitnimmt, kann man es einigermassen aushalten. Dann geht es etwas. Es ist immer noch furchtbar aber es fuehlt sich dann nur schlimm (und nicht extrem schlimm) an. Und das ist auch schon was : )
  • Hallo!

    Die medizinische Grundausbildung ist sehr wichtig, zumindest sollte jeder Facharzt die Seltenen seines Fachgebietes kennen und nicht nur ein Arzt von vielen. Nicht jeder kann oder will sich auf eine seltene Erkrankung spezialisieren, aber es müßte ein Netzwerk oder eine Liste aller Praxen geben, damit man gleich direkt weitergeschickt werden kann.
    Wenn ein Neurologe z.B. in unserem Fall HSP vermutet, weil er davon schon mal gehört hat, aber nicht die Einzelheiten kennt, könnte dieser Neurologe die Patienten zu Kollege XY schicken, vielleicht auch außerhalb von Kliniken, um Wege zu verkürzen. Diese spezialisierten Praxen sollten sich auf ein höheres Patientenaufkommen mit dieser seltenen Erkrankung einstellen, indem sie auch für Rollstuhl und Rollator, also ohne Treppen, erreichbar sind und minderjährige Personen nicht ablehnen (dürfen). "Behandlung ja, aber erst ab 18 Jahre und älter", mußte ich mir leider in Bezug auf meine Tochter auch schon sagen lassen. Mag sein, dass nicht jeder auf Kinder eingestellt ist (im Wachstum, Körperbau anders etc.), aber dann müßte das irgendwo in der Arztliste vermerkt sein, damit mich der "Wald- und Wiesen-Neurologe" direkt in eine Praxis schickt, die rolligerecht ist und wo Kinder willkommen sind. So werden den Eltern / Betroffenen unnötige Wege und Wartezeiten erspart, Termin oft erst Wochen oder Monate nach dem Abnruf in der Praxis.

    Dieses verbesserte Grundwissen sollte auch eine gute Versorgung einbeziehen, wie mein Vorschreiber es geschildert hat. Da ist es wohl egal, ob es sich um HSP, eine Amputation, eine Erkältung (evtl. Unverträglichkeit von Medikamenten) oder was auch immer handelt.
    Natürlich ist jeder Patient, besonders mit chronischer oder seltener Erkrankung sein eigener Spezialist, wohl noch besser als ein Facharzt, aber es sind die Ärzte und Therapeuten, die Neuerungen auf dem Hilfsmittel- und Medikamentenmarkt kennen sollten. Auch die KKs erschweren vieles, indem grundsätzlich erstmal abgelehnt wird oder billigere Ausführung bezahlt wird, um Kosten zu sparen. Muß immer erst was gravierendes passieren, "das Kind in Brunnen fallen", bevor das teurere Hilfsmittel, die bessere Behandlung bezahlt wird?

    Im Falle von HSP ist es so, dass es bisher keine Heilung gibt, die Patienten mit Methoden / Medikamenten behandelt werden, die für andere Gruppen entwickelt wurden. Alles muß erst über lange Studien bewiesen werden, dass ein Fußhebegerät, welches für MS zugelassen ist, auch bei HSP wirkt, bevor es bewilligt wird. Bei der HSP werden ständig neue Gene entdeckt, auf denen die Krankheit liegt, momentan sind es fast 60. Die KKs bezahlen aber nur die Testung von 2 Genen, weil es so teuer ist. Es ist aber wichtig, "sein" betroffenes Gen zu kennen, damit man reagieren kann, sobald es Ansätze von Medikamenten gibt, die die HSP auf dem momentanen Stand halten oder verbessern, eine weitere Verschlechterung aber verhindern.

    Die Seltenen haben keine Lobby - wer forscht schon für eine Gruppe von 3000 Personen? Lieber wird das 150. Kopfschmerzmittel entwickelt, weil davon ein ganzes land betroffen ist.


    Gruß, Katrin
  • KatrinHH hat geschrieben:
    .....Im Falle von HSP ist es so, dass es bisher keine Heilung gibt, die Patienten mit Methoden / Medikamenten behandelt werden, die für andere Gruppen entwickelt wurden. Alles muß erst über lange Studien bewiesen werden....

    Die Seltenen haben keine Lobby - wer forscht schon für eine Gruppe von 3000 Personen? Lieber wird das 150. Kopfschmerzmittel entwickelt, weil davon ein ganzes land betroffen ist.

    Katrin, Du hast meine volle Zustimmung! 😉

    Bei meiner Erkrankung sind sogar viel weniger als 3000 Personen bekannt, kein niedergelassener Neurologe, bei dem ich war (und es waren viele!) hat überhaupt etwas davon gehört.

    Da werden so gut wie gar keine Studien gemacht, und auch ich bekomme Medikamene, die für ganz andere Krankheiten entwickelt wurden. 😺

    LG
  • Hallo Tigerchen!

    Bist du in einem Verein oder einer Selbsthilfegruppe für deine Krankheit organisiert, falls diese existiert? Darüber kann man viel Hilfe und Tips bekommen zu Ärzten etc.
    Der HSP-Verein hat im April jährliches Bundestreffen, es kommen viele Spezialisten, um Vorträge zu halten. Ich werde hinfahren, es wird sicher anstrengend und informativ zugleich.


    Gruß, Katrin
  • Hallo Orphanbiotec,

    ich finde diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Patientenzufriedenheit liegt nicht nur daran ob Fachärzte und Fachkliniken umfangreich und ausreichend Informiert sind, es kommt auch auf die Erwartungshaltung der Patienten an, ob Zufriedenheit erreicht werden kann.

    Bei sehr seltenen Erkrankungen kann man nicht erwarten das jeder Facharzt schon einmal von dieser sehr Krankheit gehört hat oder sich mit dem Verlauf und der Behandlung gut aus kennt.Dafür ist die Medizin zu Umfangreich. Wir Betroffenen müssen lernen uns spezielle Zentren zu suchen, statt von einem Facharzt um die Ecke zu erwarten, daß er unsere Probleme und Bedürfnisse genauso gut kennt wie die von Allerweltskrankheiten. Nur ein Arzt der sich auf ein spezielles Thema spezialisiert hat, hat genügend Erfahrung uns Patienten kompetent und zufriedenstellend zu behandeln. Bei meinen sehr zwei seltenen Erkrankungen wurde mit mir in speziellen Schwerpunktpraxen und Schwerpunktkliniken immer ganz anders umgegangen als in gewöhnlichen Fachambulanzen oder Fachkliniken. Deshalb nehme ich heute gerne sehr weite Wege in Kauf. Aber nicht nur deshalb. Wäre ich mit meinen Beschwerden nie zu einer ganz speziellen Fachambulanz gegangen, wäre ich keine 20 Jahre alt geworden.

    Aber selbst wenn man eine Schwerpunktpraxis gefunden hat, dürfen wir Betroffenen nicht die Erwartungshaltung haben, daß man dort auch weiß wie es ist mit dieser seltenen Krankheit zu leben. Ärzte kennen nur ihre Bücher und ihre Untersuchungsergebnisse. Aber wie sich eine Krankheit im Alltag aus wirkt, können sich nur die Betroffene selber vorstellen oder Menschen die mit einem Betroffenen zusammen gelebt haben. Deshalb wünsche ich mir, daß jede Schwerpunktpraxis oder Schwerpunktklinik auch eine Selbthilfegruppe hat. Auf diese Weise könnten sich Fachpersonal und Patienten gegenseitig ergänzen und neu Betroffene könnten sich viele negative Erfahrungen und Überaschungen erparen.

    Schönen Gruß
    Karin
  • KatrinHH hat geschrieben:
    Hallo Tigerchen!

    Bist du in einem Verein oder einer Selbsthilfegruppe für deine Krankheit organisiert, falls diese existiert? Darüber kann man viel Hilfe und Tips bekommen zu Ärzten etc.
    Der HSP-Verein hat im April jährliches Bundestreffen, es kommen viele Spezialisten, um Vorträge zu halten. Ich werde hinfahren, es wird sicher anstrengend und informativ zugleich.


    Gruß, Katrin

    Katrin, ich dachte, dass ich schon geantwortet hatte, sorry! 😺

    Bei meiner äußerst seltenen Erkrankung gibt es weder einen Verein, noch eine SHG.


    Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag! 😉
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