Möchte als Erzieherin arbeiten, aber...

Hallo,

derzeit arbeite ich als Erzieherin im Anerkennungsjahr in einem integrativen Hort bei einem freien Träger. Im Oktober bekomme ich hoffentlich meine staatliche Anerkennung.
Eigentlich wollte ich schon dieses so genannte Berufspraktikum bei der Stadt machen, die uns auch händeringend sucht. Diese lehnte mich jedoch, basierend auf dem amtsärztlichen Gutachten ab. Ich habe auf Grund einer Halbseitenlähmung und halbseitigen Blindheit einen Schwerbehindertenausweis mit 100% und verschiedenen Merkzeichen, unter Anderem auch das "H". Ausschlaggebend war der Satz des Amtsarztes: "darf auf Grund der Sehrbehinderung nicht die alleinige Aufsichtspflicht übernehmen."Nach langem hin und her Überlegen habe ich mich dazu entschieden, die Stadt wegen Verstoßes gegen das AGG zu verklagen.
Denn:
Vor Beginn der Ausbildung musste ich ein hausärztliches Gutachten abgeben, das besagt, dass ich als Erzieherin arbeiten kann.
Ich habe insgesamt neun Jahre Arbeitserfahrung im Bereich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die teilweise schwer verhaltensauffällig waren. Streckenweise hatte ich immer wieder die alleinige Aufsichtspflicht.
Ich will nicht in der Krippe oder mit pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen arbeiten, das würde ich atsächlich körperlich nicht lange schaffen.
Der Job macht mir einfach Spaß und ist genau mein Ding! 😀
Nun habe ich zwei Fragen:
1) Hat jemand Erfahrung mit vergleichbaren Prozessen? Welche Chancen habe ich? Meine Anwältin sagts natürlich, wir gewinnen, aber sie bekommt auch jede Menge Geld von mir dafür 😉
2)Welches Risiko gehen die Träger denn damit ein, wenn sie mich anstellen? Angenommen, es passiert tatsächlich etwas, während ich die Aufsichtspflicht führe, ich bin vermeintlich schuld auf Grund meiner Behinderung. Der Träger weiß von meiner Behinderung, ist er damit auch automatisch schuld? Muss also zahlen?
Ich bin momentan sehr dankbar für alle Hinweise, Kommentare, Tips, Einschätzungen oder einfach nur Meinungen!
LG
Cat

Antworten

  • Ich kann dir nicht weiter helfen. ….. Aber du hast meinen vollen Respekt,, mit dieser Einschränkung mit Kindern arbeiten?

    Na wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, dieser Weg kann sehr steinig sein, Kämpfe weiter gegen die Windmühlen und überzeuge Diejenigen die dir dein Weg nicht zu trauen.

  • Hallo 😀

    Zunächjst einmal, finde ich es super, dass du diesen Beruf ausübst. Bin selbst Erzieherin und auch mir wurde zunächst gesagt, ich solle mir etwas anderes suchen. Nunja, manchmal muss man die Leute einfach von dem überzeugen, was man kann.

    Ich wünsche dir für dein Anerkennungsjahr alles erdenklich Gute!!!

    Wo möchtest du den gerne danach arbeiten?
    Kannst du bei dem jetztigen Träger eventuell bleiben? Wie das mit Aufsichtspflicht und so ist, kann ich dir nicht genau sagen. Aber du könntest auch damit argumentieren, dass du ja im normalfall nie alleine bist. Und selbst wenn, lass dir doch bezüglich der Aufsichtspficht das von deinen bisherigen Chefs geben, ob du dem gewachsen bist oder nicht. Die Stadt bekommt doch zuschüße wenn sie Schwerbehinderte Mitarbeiter einstellt oder nicht??? Ich bekam neulich von einer Kollegin gesagt (andere Kita als ich), "ist ja eh, der wahnsinn, dass du überhaupt arbeitest". Und das ist es auch, wir wollen arbeiten und man legt uns leider oft steine in den Weg. Und wir können den Kindern etwas beibringen, was ein nicht behinderter Mensch nicht kann.

    Wenn du magst, können wir uns auch gerne einmal per PN austauschen, würde mich freuen.

    Herzliche Grüße Katharina
  • Auch ich bin nicht Fachmann
    Gehe aber immer noch vom Gesunden Menschenverstand aus (auch wenn ich den bei Amts stellen oft vermisse) Ich weiss einfach das Erzieherinnen bei ausserordentlchen Vorkommnissen nicht haftbar gemacht werden Wenn du mit 5 Kindern Am Sandkasten bist und das Sechste ersäuft im Biotop hinter denm Haus kannst du nicht belangt werden Wir haben ein Blickfeld von nicht ganz 180 Grad und können nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein . Ob im Rollstuhl Gehörlos oder Sehbehindert Ich finde es gut wenn Du /ihr in solchen Berufen arbeitet . Vielleicht weiss Karin auch noch was zu dem Thema
  • Hallo Magiccat,

    zunächst einmal herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀

    Nun, es gibt ein altes Sprichwort: Auf See und vor Gericht bist Du in Gottes Hand. Insofern kann niemand eine hundertprozentige Aussage treffen, wie das Ganze ausgeht.

    Ich werde aber gern unsere Fachexperten auf Dein Anfrage hinweisen.

    Vielleicht weiß hier auch noch jemand mehr dazu 😉
  • Hallo liebe ForumsschreiberInnen,

    erst mal danke allen für die netten Antworten! Zwischen "Mutmachthreads" und fachlichen Infos kann ich derzeit wirklich alles gebrauchen.

    [i]Und das ist es auch, wir wollen arbeiten und man legt uns leider oft steine in den Weg
    Ja, ja, ja, genau! Das spricht mir grad wirklich aus tiefster Seele!
    Aber erst mal zu den Fakten:

    Die Stadt kann ich nicht auf eine Stelle verklagen, nur auf Verstoß gegen das AGG, also Schadensersatz und Schmerzensgeld. Schadensersatz deswegen, weil ich zehn Tage vor Praktikumsbeginn (die Stelle selbst hat mir zugesagt, erst später hat das Personalreferat Widerspruch eingelegt) die Absage bekam und ich mir dann schnell eine neue Stelle suchen musste. Dadurch ist mir ein Monatsgehalt entgangen. Schmerzensgels gäbe es für das "Unrecht".
    Aber mir geht es nicht ums Gels, sondern um die Aussage, ich könne nicht die Aufsichtspflicht führen, die mein beruflicher Tod ist. Läut meiner Anwältin muss der Richter im Laufe des Prozesses, dieses Gutachten für richtig oder falsch bewerten, denn stimmt es, darf ich tatsächlich nicht als Erzieherin arbeiten und die Absage ist gerechtfertigt. Sagt der Richter aber, nee, das ist falsch so, worauf ichg natürlich hoffe, hab ich quasi den "Beweis", dass ich als Erzieherin arbeiten darf.
    Eine Stelle, die z.B. deine persönliche Assistenz, bezuschusst würde, kann mir die Stadt nicht geben, da es hie viel zu wenige Erzieherinnen gibt, wie gesagt, eigentlich gibt es auch bei der Stadt viele unbesetzte Erzieherstellen.
    Meine bisherigen Arbeitszeugnisse bewegen sich zwischen gut und sehr gut, ich habe auch alle Exchefs gebeten, noch einen Zusatz zur Aufsichtspflicht zu schreiben, überall "bestens erledigt", "sehr gut gemacht".
    Auch an meiner jetzigen Stelle wird betont, dass ich gut arbeite, den Überblick über die Gruppe bewahre , etc. Die letzten zwei Monate war ich sogar ganz allein, da meine Kollegin schwanger wurde und Berschäftigungsverbot bekam.
    Allerdings hatte ich heute ein zwiespältiges Gespräch mit meiner Chefin. Sie ließ durch blicken, dass der Träger mich übernehmen würde (toll!), aber dann "da wäre dann die Leitung immer noch mit in der Gruppe, falls dann mal was passiert und die Eltern sich beschweren wegen deiner Behinderung, dann kann man immer noch sagen, eigentlich ist ja die Leitung auch die Gruppenleitung und so...."
    Die Botschaft, die ich höre: Du bist zwar gut und wir mögen dich, aber wir haben halt doch Sorge, dass es Schwierigkeiten mit deiner Behinderung geben könnte.
    Das ärgert mich zum einen, weil ich sogar jetzt, im Berufspraktikum, allein gelassen werde, zum anderen kränkt es mich, weil ich vor meiner Ausbildung nicht nur Gruppenleitung, sondern sogar Regionalteamleitung war, und das bei wesentlich schwierigerem Klientel.Im Endeffekt hätte ich mir die Ausbildung sparen können.
    Natürlich freue ich mich aber, dass meine Arbeit gut bewertet wird.
    Grundsätzlich möchte ich mit allem arbeiten, was älter als 6 Jahre alt ist 😉. Am liebsten in einer heilpädagogischen Tagesstätte oder einem Freizeitheim. Gerne aber auch weiter in einem (integrativen) Hort.

    Ein Träger kann durchaus belangt werden, wenn er nachweisbar ungeeignete Personen einstellt, z.B. werden jetzt ja auch die ausführlichen Führungszeugnisse verlangt, um zu verhindern, dass einschlägig vorbestrafte Personen (Sexualstraftäter) eingestellt werden. Könnte nachgewiesen werden, dass der Träger hier seine Fürsorgepflicht vernachlässigt hat, kann er dafür belangt werden, z.B. mit Entzug der städtischen oder komunalen Zuschüsse.
    Die Frage ist nur, kann das auch auf meine Behinderung umgemünzt werden? Versteht Ihr, was ich meine?


    Und ja, zwischen all den Fakten schwingt eine Menge Frust meinerseits mit, sorry!!!!
    Ich mag meine Arbeit, wirklich, ich bin bereit, vieles auf mich zu nehmen, ich arbeite mit Schmerzen und bis zur Erschöpfung, weil es mir Spaß macht. Ich will mich wirklich gern integrieren, aber ich fühle mich gerade so gar nicht integriert (allgemein beruflich meine ich, im Team, privat und so schon).


    Sorry fürs Gejammere und danke fürs Lesen!
    LG
    Cat


  • Hallo Cat,

    Du hast eigentlich schon alle relevanten Informationen bekommen. Du hast richtig geschrieben, dass mit dem AGG keine Einstellung erzwungen werden kann. § 832 BGB regelt die Sache mit der Aufsichtspflicht:

    § 832 BGB
    Wer Kraft Gesetzes (z.B. Eltern, Pfleger, Lehrer) oder Vertrag (z.B. Kindergärtnerin, Jugendleiter) zur Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, ist zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich (nicht bei Notwehr, Notstand oder Einwilligung) zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre.

    Es wird spannend sein, wie der Richter entscheiden wird. Es wird sehr viel auf das Gutachten ankommen, wobei Du ja schon gute Beweise für Deine Eignung vorliegen hast (siehe Arbeitszeugnisse). Bei der Auslegung des § 832 BGB wird der Richter auch das Grundgesetz (Art. 12 Freie Berufswahl) und die Behindertenrechtskonvention hinzuziehen müssen. Diese Rechtsnormen unterstützen Deine Position.

    Es wäre schön, wenn Du das Ergebnis Deines Gerichtsverfahrens hier bekannt machen würdest. Damit können auch andere Menschen geholfen werden.

    Ich drück Dir die Daumen, dass das Verfahren in Deinem Sinne ausgeht.

    Gruß
    Thomas Worseck
  • Danke auch dir, für die Antwort.

    ja, der 832ger, hat mich in Recht einige Nerven gekostet ....😉
    Denn:
    Im Gesetz ist nicht genau geregelt, wie diese Aufsichtspflicht auszusehen hat, wie hier schon geschrieben wurde, kann ich mit fünf Kids im Sandkasten sein, während das Sechste vom Klettergerüst fällt. Vielleicht bin ich auch bei dem einem Kind am Klettergerüst und mir fehlt trotzdem die eine halbe Sekunde, damit ich es noch auffangen kann.....Nur wer sagt mir, dass daran meine Behinderung Schuld ist oder ob das einer gesunden Erzieherin nicht genauso ergangen wäre?
    Bisher gab es in Deutschland, soweit ich weiß, kaum Verurteilungen von Erzieherinnen, die ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Außer bei wirklich gravierenden Fehlen, Kinder wurden mit Medis ruhig gestellt, geschlagen, etc (Ja, das gabs wirklich).
    Durch die wiederkehrenden Mißbrauchsfälle durch betreuende Mitarbeiter wird mittlerweile verstärkt geschaut, wer eingestellt wird, siehe erweitertes Führungszeugnis. Macht ja auch Sinn. Und tatsächlich wurden Einzelpersonen (z.B. Vorstand eines Trägers)oder der Träger selbst dafür belangt, dass sie ungeeignete Personen eingestellt haben.
    KJHG oder BaykiBig regeln z.B. auch, dass ich im Zweifelsfall der Putzfrau die Personensorgeberechtigung übergeben darf, wenn Eltern ihr Kind nicht rechtzeitig abholen, ich aber weg muss. Sofern ich die Putzfrau für "geignet" halte. Dieses "geeignet" wird noch mit einigen Adjektiven wie fähig u.ä. beschrieben, was wiederum weitere Fragen aufwirft. Wer ist geeignet? Ich persönlich halte jemanden, der schon lange blind ist, damit umgehen kann, gut im Alltag zurecht kommt, etc, für geeignet, die Personensorgeberechtigung zu übernehmen. Jemand, der gerade erst querschnittsgelähmt wurde, noch nicht mit dem Rollstuhl und seinem Schicksal zurecht kommt, etc, würde ich eher nicht zehn hyperaktive Jungs anvertrauen. Aber wo ist die Grenze? Und auf welcher Seite stehe ich?
    Und meine momentan ganz große wichtige Frage ist: [b]Welches Risiko gehen die Träger damit ein, mich fest anzustellen und mir die alleinige Personensorgeberechtigung an zuvertrauen????[b]
    gerne berichte ich hier von den Ergenissen des Prozesses, das dauert aber ........derzeit liefern sich die Anwälte einen schriftlichen Schlagabtausch.

    LG
    Cat
  • Guten morgen,

    vorgestern kam die Ladung vom Arbeitsgericht, der Prozess wird am 18. Mai sein. Gestern hatte ich ein leicht beunruhigendes Telefonat mit meiner Anwältin. Läuft die Sache darauf hinaus, dass weitere Gutachter und Sachverständige hinzugezogen werden, könnte es kritisch werden. Sie macht das an einem umgedrehten Beispiel fest:
    Liest man die Kriterien, um EU-Rente als Erzieherin zu beantragen, steht da: Beeinträchtigungen der uneingeschränkten Sehkraft.
    Uneingeschränkte Sehkraft hab ich ja tatsächlich nicht.
    Nun hoffe ich sehr, dass meine bisherige Arbeitserfahrung und meine ganzen Arbeitszeugnisse auch etwas über meine Fähigkeiten als Erzieherin aussagen.
    LG
    Cat
  • Hallo Magische Katze
    Malabgesehen vom juristischen geplänkel . Ich glaube das du für diesen Beruf und diese Funktion geeignet bist( Beruf = Berufung) Meine Idee falls es in den staatlichen einrichtungen nicht klappen sollte versuche es mal bei kirchlichen Einrichtungen . Caritas Heilsarme Sollten ja den Menschen und seine Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen .
    Ärgere dich nicht darüber dass Rosen Dornen haben
    sondern freu dich darüber dass Dornen Rosen tragen
    Der Narr macht aus Möglichkeiten Probleme
    Der Kluge macht aus Problemen Möglichkeiten
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