Unbekanntes Behinderungsbild?

Hallo Leute,

Gestern abend erhielten meine Mutter und ich die traurige Nachricht von einer früheren Kollegin meiner Mutter, daß bereits Heilig Abend letzten Jahres ihre schwerst - mehrfachbehinderte Tochter gestorben ist.
(Alter 12 und ca. ein 3/4 Jahr, Mutter bei Geburt 44)
Das Behinderungsbild war aus meiner Sicht von klein auf sehr undifferenziert.
Das Kind war von Geburt auf so abewesend, man hatte den Eindruck es nimmt nichts wahr, der Blick ging durch einen hindurch, wobei nach einer Impfung alles noch schlimmer wurde.
Das Kind hat nie angefangen zu sprechen, könnte den Körper nur halb liegend aufrecht halten, seltsamerweise aber aufgestützt und angelehnt ein wenig stehen, jedoch nicht krabbeln oder laufen. Es konnte auch die Handfunktionen gar nicht nutzen auch nicht schlucken hätte oft Krämpfe und Würgeanfälle, müßte beatmet werden, weil die Atmung schockartig aussetzen konnte.Durch die heftigen Krämpfe hat sie sich auch sämtliche Zähne ausgebissen.
Auch das Körperwachstum reichte nicht über die Größe eines 4- jährigen hinaus.
Auch mußte eine Magenonde gelegt werden und die Leberwerte waren immer schlecht.
Obwohl die Ärzte der Mutter gesagt haben, daß sie höchstens 14 wird hat sie das nie geglaubt und auch versucht mit alternativen Heilmethoden was auszurichten, was die Kasse immer abgelehnt hat.
Als der Atemstillstand in der Wohnung passierte und der Notarzt wegen der Reanimation kam, hat er gefragt, ob man sie angesichts der Schwere der Behinderung noch reanimieren soll, weil sie selbst wenn das gelingen sollte von den Schläuchen nicht mehr wegkommen würde und im Wachkoma bleiben würde.
Ab wann darf eine solche Frage gestellt werden?
Unabhängig davon macht sich unsere Bekannte Vorwürfe nicht genug getan zu haben. Könnte es helfen, wenn man ihr klarmachen könnte, daß sie keine Schuld hat, wenn nie eine Chance da war?

LG

Surfer

Antworten

  • Lieber Surver,

    mmh, das ist eine schwer zu beantwortende frage. Aber ganz sicher hat diese Kindesmutter alles gegeben und es besteht kein Grund sich Vorwürfe zu machen. Ich kenne solche Fälle aus meiner Berufspraxis. Zeitlebens ist es eine Gradwanderung sich um so ein schwer behindertes Kind zu kümmern. Man fragt sich ständig "hat mein Kind genügend Lebensqualität?", "habe ich oder die Ärzte etwas vergessen oder übersehen?", "tue ich genug?". Letzendlich reichen alle Mühen nicht und das Kind sirbt. Damit zurecht zu kommen ist besonders schwer wenn man für die Krankheit des Kindes keine klare Diagnose stellen konnte.

    Doch manchmal ist das einfach so. Manchmal werden Kinder sehr schwer behindert geboren und egal ob man einen Namen für diese schlimme Behinderung hat oder nicht, man kann immer nur symptomatisch behandeln. Mehr geht einfach nicht. So wie Du die Auswirkungen dieser Behinderung beschreibst, hatte dieses Mädchen einen starken Hirnschaden, vieleicht sogar einen genetischen Defekt. Ich habe ähnliche Behinderung schon öfter gesehen und betreut. Diese Kinder schleppen so viele Probleme mit sich herum, daß es nur eine Frage der Zeit ist bis der kleine Körper keine Kraft mehr hat. Die Mutter dieses Mädchen hat alles getan was möglich war. Sie hat keine Schuld, solchen Kindern kann man nur für begrenzte Zeit begleiten und das hat diese Mutter wirklich sehr gut gemacht.

    Liebe Grüße
    Karin