Im Bewerbungsanschreiben die Behinderung angeben?

Hallo Zusammen,
heute konnten wir gemeinsam mit Dow Europe den auf MyHandicap beworbenen Bewerberworkshop durchführen. Eine lange von Plenum diskutierte Frage war, ob man die Behinderung im Anschreiben oder im Lebenslauf angeben solle oder nicht. Es gab dazu sehr viele Wortmeldungen und Erfahrungsberichte. Wir konnten uns auf folgende Regel einigen, die ich hier gerne mit dem Forum teilen möchte:

In das Bewerbungsbrief/Anschreiben und in den Lebenslauf gehören Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung, um den Kandidaten anhand von berufsrelevanten Merkmalen (positiv) darzustellen. Hat man es über diese erste Runde geschafft und wird man zu einem Gespräch oder Interview eingeladen, empfehlen wir, die Behinderung offen zu legen. Am besten ruft man in der Personalabteilung an, bedankt sich für die Einladung und bestätigt den Termin. Dabei erwähnt man auch die Behinderung und bittet um eine entsprechende Berücksichtigung von Hilfsmitteln, Organisation der Anreise etc. Ein selbstbewusstes Auftreten und eine Lösungsorierntierung, in dem man seine Hilfsmittel ankündigt und deren souveräne Beherrschung andeutet, wirkt professionell und baut bei der Personalabteilung eventuelle Unsicherheiten ab. Damit geht man dann auch mit einem guten Gefühl in das Gespräch und niemand wird überrascht.
Dies war das Ergebnis von ca 27 Workshopteilnehmern mit unterschiedlichen Behinderung und Abilities sowie 10 Personalverantwortlichen.

Diese Ansicht wird übrigens auch von unseren Fachexperten vertreten: http://www.myhandicap.ch/behinderung-bewerbung-job-ch.html

Schönen Abend
Dominik

Antworten

  • Find ich interessant. Danke! 😳
  • Hallo Dominik,

    bei nicht sichtbaren Behinderungen würde ich in Sachen Bewerbungsschreiben auch so vorgehen. Meine Erfahrung mit Kunden, die eine sichtbare Behinderung haben, ist jedoch die, dass manche Arbeitgeber teilweise heillos überfordert sind, wenn ein Mensch mit einer sichtbaren Behinderung zum Bewerbungsgespräch erscheint und keiner wusste vorher davon. Häufig produziert das dann in der Folge Widerstände: infolge ihrer emotionelen Überforderung schalten mache Arbeitgeber auf stur, fühlen sich überrumpelt oder ausgetrickst. Dies wurde früher in vielen Fällen den Betroffenen auch durchaus so mitgeteilt. Seit dem AGG ist man hier vorsichtiger, die Gefühlslagen von Arbeitgebern, die sich überrumpelt fühlen, sind aber gleich geblieben. Nun sucht man in solchen Fällen eben nach "fachlichen Gründen", um Bewerber mit Behinderung ablehnen zu können, ohne rechtliche Folgen befürchten zu müssen.

    Im Rahmen der deutschen Gesetzgebung ist außerdem geregelt, dass Bewerbungen von schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen der Schwerbehindertenvertretung vorgelegt werden müssen. Diese soll dann Betroffene im Bewerbungsverfahren unterstützen. Für den öffentlichen Dienst (Bund und Länder, meist auch die Kommunen) gilt dies in verschärfter Form. Daher sprächen einige Gründe auch für eine Offenlegung der Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsanschreiben.

    Was Ihre weiteren Ausführungen anbetrifft (selbstbewusstes Auftreten der Bewerber, detaillierte Kenntnis von Hilfsmitteln, Hilfemöglichkeiten und Lösungsansätzen etc.) gehe ich mit Ihnen d´ accord.

    Grüße
    von
    Mubika
  • Hallo Leute,

    Bei nicht sichtbaren Behinderungen k a n n man die Behinderung bei erst mal unerwähnt lassen und ins persönliche Gespräch flechten.
    Allerdings gibt es in Deutschland die Rechtsprechung, daß das Verschweigen der Behinderung ein Kündigungsgrund sein kann. Das wurde unter anderem damit begründet, daß der Arbeitgeber zu Unrecht die Ausgleichsabgabe zahlt für jeden Schwerbehindertenpflichtpaltz der nicht besetzt wurde.
    Bei meiner offensichtlichen Behinderung stellt sich die Frage so nicht, aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß wenn man die Schwerbehinderung genauer beschreibt, viele Arbeitgeber leichter eine Ausrede haben, einen nicht zu nehmen.
    Andererseits kann das auch mal leichter sein einen Schwerbehinderten gezielter einzusetzen, aber es ist ein sehr zweischneidiges Schwert, ob man Dinge angeben soll oder nicht. Selbst auf der Page hier im Forum unter Arbeitsleben wird gesagt, daß es darauf keine pauschale Antwort gibt.

    Gruß

    Surfer
  • Guten Abend miteinander

    Bei mir stellt sich die Frage, ob ich meine psychotischen Krisen, die ich hatte, angeben muss in der Schweiz. Ich habe zwischendurch eine vollständige Remission und nehme Medikamente gegen einen Rückfall. Innerhalb von 34 Jahren hatte ich 4 psychotische Krisen, habe aber einen lückenlosen Lebenslauf für die letzten 32 Jahre. Die Lücke die ich von vor 34 Jahren habe begründe ich jeweils damit, dass ich meinen Mann kennenlernte und den Haushalt machte. Da ich zur Zeit arbeitslos bin, stellt sich bei mir erneut die Frage, ob ich die Erkrankung erwähnen soll. Ich hatte durchschnittlich so alle 10 Jahre eine Krise, sodass die Chancen gut stehen, dass ich bis zu meiner Pensionierung keinen Rückfall mehr bekomme. Ich hatte die Rückfälle jeweils in belastenden Lebenssituationen und hätte dann mehr Medikamente nehmen müssen.

    Herzliche Grüsse, Morgensonne
    😉
  • surfer hat geschrieben:
    Hallo Leute,

    Bei nicht sichtbaren Behinderungen k a n n man die Behinderung bei erst mal unerwähnt lassen und ins persönliche Gespräch flechten.
    Allerdings gibt es in Deutschland die Rechtsprechung, daß das Verschweigen der Behinderung ein Kündigungsgrund sein kann. Das wurde unter anderem damit begründet, daß der Arbeitgeber zu Unrecht die Ausgleichsabgabe zahlt für jeden Schwerbehindertenpflichtpaltz der nicht besetzt wurde.
    Bei meiner offensichtlichen Behinderung stellt sich die Frage so nicht, aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß wenn man die Schwerbehinderung genauer beschreibt, viele Arbeitgeber leichter eine Ausrede haben, einen nicht zu nehmen.
    Andererseits kann das auch mal leichter sein einen Schwerbehinderten gezielter einzusetzen, aber es ist ein sehr zweischneidiges Schwert, ob man Dinge angeben soll oder nicht. Selbst auf der Page hier im Forum unter Arbeitsleben wird gesagt, daß es darauf keine pauschale Antwort gibt.

    Gruß

    Surfer


    Also, da ich im soziale Berufe eine Stelle suche, schreibe ich im Bewerbung dazu, dass ich eine Handicap habe... "Da ich selber Handicap habe, kann ich mich gut in Menschen mit Einschränkung / Erkrankung hineinversetzen und deshalb ist mein Traumberuf..."
    Es kommt anscheinend gut an !
    Bei Dir würde ich dazu schreiben, dass Du gerne ein Praktikum / Schnuppertag machen willst, da´mit Sie sich überzeugen können über deine Leistung ! 😃
  • Morgensonne hat geschrieben:
    Guten Abend miteinander

    Bei mir stellt sich die Frage, ob ich meine psychotischen Krisen, die ich hatte, angeben muss in der Schweiz. Ich habe zwischendurch eine vollständige Remission und nehme Medikamente gegen einen Rückfall. Innerhalb von 34 Jahren hatte ich 4 psychotische Krisen, habe aber einen lückenlosen Lebenslauf für die letzten 32 Jahre. Die Lücke die ich von vor 34 Jahren habe begründe ich jeweils damit, dass ich meinen Mann kennenlernte und den Haushalt machte. Da ich zur Zeit arbeitslos bin, stellt sich bei mir erneut die Frage, ob ich die Erkrankung erwähnen soll. Ich hatte durchschnittlich so alle 10 Jahre eine Krise, sodass die Chancen gut stehen, dass ich bis zu meiner Pensionierung keinen Rückfall mehr bekomme. Ich hatte die Rückfälle jeweils in belastenden Lebenssituationen und hätte dann mehr Medikamente nehmen müssen.

    Herzliche Grüsse, Morgensonne
    😉


    Ich würde es besser nicht dazu schreiben, weil sowas geht keinen an !
    Wenn es zum Vorstellungsgespräch kommt, dann kannst Du es Dir nochmal überlegen...
  • Hallo Black

    Ich glaube auch, dass es besser ist, wenn ich von Fall zu Fall entscheide, ob ich was sagen will. Die Chancen stehen eh schon schlecht wegen dem Alter. Vielen Dank für Deinen Ratschlag. Ich möchte einfach nicht gekündigt werden, wenn was rauskommen sollte, dass ich schon in psychiatrischen Kliniken war. Ich wusste einfach nicht, was rechtlich ist, ob ich es melden muss. Wahrscheinlich ist es eine Grauzone. Da habe ich noch das Supported Employment, die rufen die Arbeitgeber an und sagen einfach, dass ich psychische Probleme hätte, aber zwischendurch lange Beschwerdefreie Episoden.

    Liebe Grüsse
    Morgensonne 😉
  • Hallo zusammen,

    ich möchte mich hier erst einmal vorstellen bin neu hier im Forum.

    Bin der Jens komme aus Berlin bin 46 Jahre alt bin zu 50% schwerbehindert wegen einer sehr seltenen Hauterkrankung und der damit verbundenen Einschränkungen , gelernter Beruf Elektromontierer bin zur Zeit im Callcenter (Inbound) techn. Support für einen großen Telefon und DSL Anbieter tätig.

    Aber jetzt zu meinem Problem ich hatte schon sehr viele Arbeitgeber gehabt aber immer dann wenn die Förderung auslief wurde ich unter Angabe irgendwelcher Gründe immer wieder gekündigt , Gründe waren immer so glaubwürdig sodass die Hauptfürsorgestelle der Kündigung immer zugestimmt hat. Ich hatte sogar mal einen Arbeitgeber der mich unter vier Augen fragte was kannst Du denn mit Deiner Behinderung noch alles nicht machen um noch weiter Förderung zu bekommen , er meinte dann wenn er keine weitere Förderung mehr bekäme dann muss er mich wieder entlassen. Wie ich oben schon in der Einleitung erwähnt habe bin ich zur Zeit in einem Callcenter in Berlin tätig dort bekam ich genauso wie alle anderen nur einen befristeten Arbeitsvertrag der dann hoffentlich verlängert wird oder auch nicht.

    Ich habe das Unternehmen bei der Einstellung darauf hin angesprochen und ihnen gesagt das ich schwerbehindert bin und man doch für mich wenn sie es möchten doch Fördergelder beantragen können aber das möchte das Unternehmen nicht man sagte mir ich werde genauso behandelt wie alle anderen Mitarbeiter. Ich hatte dann mal ein Gespräch mit einem Mitarbeiter aus der Personalabteilung der mir dann sagte er findet das gut das ich mich beworben habe denn man muss ja als Unternehmen einen gewissen Prozentsatz an Schwerbehinderten einstellen sonst müsse man ja die Fehlbelegungsabgabe leisten. Mein Gedanke dabei war gewesen Hauptsache das Unternehmen erfüllt die Quote sonst nichts weiter, denn ich habe festgestellt mit einem befristeten Arbeitsvertrag habe ich auch ganz erhebliche Nachteile, von der monatl. Bezahlung mal ganz zu schweigen, das ist zum Leben zu viel und zum Sterben zu wenig.

    Wie mit schwerbehinderten Mitarbeitern in einigen Unternehmen umgegangen wird ist einfach skandalös , Betonung liegt dabei auf EINIGE NICHT ALLE damit das hier nicht zu Missverständnissen führt , leider habe ich persönlich noch kein anständiges Unternehmen kennen gelernt.

    Wenn der Beitrag an dieser Stelle nicht richtig sein sollte dann verschiebt ihn bitte in die richtige Rubrik DANKE:


    Mit freundlichen Grüßen

    Jens
  • Dominik.Domnik hat geschrieben:Am besten ruft man in der Personalabteilung an, bedankt sich für die Einladung und bestätigt den Termin. Dabei erwähnt man auch die Behinderung und bittet um eine entsprechende Berücksichtigung von Hilfsmitteln, Organisation der Anreise etc.


    Prima, und wie schätzt Du das Vorgehen von Gehörlosen oder hochgradig schwerhörigen Menschen ein, denn diese können ja NICHT anrufen 😉
  • Ich würde nicht erwähnen, was ich genau für eine Krankheit habe. Man weiß ja, dass ich vom BFW komme, wo jeder irgendwie krank ist, aber mir sieht man die Krankheit (hoffentlich) nicht an. Habe auch keinen Behindertenausweis. Was ich vielleicht sagen würde, dass ich manchmal zum Arzt muss und deshalb früher gehen, das ist aber nur ca. alle 6 Wochen. Wenn man mich wirklich fragen sollte, sage ich : Schilddrüsenunterfunktion, das habe ich auch, ist keine Lüge, aber das Psychische müssen sie nicht wissen^^
  • Hallo!

    Ich bin der Meinung, man sollte offen und ehrlich in einen neuen Arbeitsvertrag hineingehen. Das ist ähnlich wie mit einer Beziehung. Wenn man sich am PC kennenlernt, kann man dem anderen erzählen, man sei groß, schlank, blond und nichtbehindert. Beim 1. Treffen kommt heraus, ich bin dunkelhaarig, zu klein für mein Gewicht, habe einen SBA mit 80% und noch ein Kind im Grundschulalter, auch mit SBA.

    Damit will ich sagen, es ist wichtig, zu sagen, was los ist. Meine leichte Tetraspastik, für die ich keine Hilfsmittel brauche, sieht mir ein Laie nicht unbedingt sofort an. Die medikamentös gut eingestellte Epilepsie ist nach außen unsichtbar, im Ernstfall muß aber geholfen werden können, viele sind hilflos und überfordert. Außerdem gibt es als Person mit SBA Zusatzurlaub in der Menge der Wochenarbeitstage - bei Nichtangabe schaffe ich mir selber Nachteile.
    Ich arbeite im BFW Hamburg, habe mir also einen Arbeitgeber gesucht, der Personen mit Handicap durch Umschulungen wieder auf den 1. Arbeitsmarkt bringt, wo es mehrere Kollegen mit SBA gibt, unterschiedlichste Handicaps. Z.B. unser Schwerbehindertenvertreter ist blind, einer unserer Köche gehörlos, mein Abteilungsleiter hatte eine Amputation, meine direkte Kollegin Hemiparese nach Unfall....
    Ich fühle mich hier sehr wohl und hoffe, trotz Umstrukturierung in den nächsten Jahren, hier noch möglichst bis zur Rente arbeiten zu dürfen.

    Gruß, Katrin
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