Reise nach Prag aus der Sicht einer Blinden

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Prag-Reise aus der sicht einer blinden

die abfahrt war un 05.00 in Lugano. Zum glück hat ein herzensguter führer uns (2 sehbehinderte mich fast blind und 2 führer zusammengesammelt und nach Lugano gebracht)
dann ging es mit dem car nach Tenero (bei Locarno)weitere 20 personen holen und die letzte sammelstelle war bei Bellinzona. Da waren alle 48 reiselustigen zusammen.es waren 18 blinde und sehbehinderte und der rest führer,reiseleiterin und busfahrer.
Am morgen so früh waren die meisten noch sehr ruhig und holten den versäumten schlaf nach.als wir über den San Bernadinopass fahren fragte ich meine fuhrer Conni und Donato ob diese hellen schatten in all diesem dunkeln noch schnee sei. Ja, es hatte noch viel schnee auf den wiesen ,sogar der bergsee ist noch ganz zugefrohren.im bündnerland raststätte “heidiland” war ein kaffeehalt und danach wurde es lauter im bus.langsam wurde die gruppe richtig wach und ich hörte verschiedene stimmen raus welche ich kenne und ich bekomme einen begriff wer alles in den nächsten 5 tagen in dieser gruppe zusammen ist. So ging es nach Bregenz wo wir den einen busfahrer auf die bahn gebracht haben. Nun war der zweite fahrer im einsatz und die reiseleiterin Lisa erklärt den tagesablauf.es ging auf der autobahn nach München wo es mittagessen gibt. Conni hat mir die landschaft erklärt aber das sind ja grosse flächen grün , braune felder wo etwas ausgesäht ist was man noch nicht erkennen kann. Dann habe ich etwas in meinem hörbuch “gelesen”.
Kurz vor München habe ich mich wieder auf die landschaft konzentriert und habe viele grosse rechteckige schatten gesehen mit reihenweise dunkeln löcher.uebersetzt sind das viele breite ,rect hohe häuser und die dunkeln löcher sind die fenster . ich sah einen schatten in einer schüsselform ,einen schatten in einem röhre in der mitte zusammengedrückt , einen schatten war ein überdimensionales rad…und all das sind die verschiedenen gebäude der firma Mercedes. In der stadt München viel braun und darin sind schatten mit vielen feinen armen und dahinter wieder die rechteckigen grossen schatten mit den reihen von dunkeln löcher.uebersetzt sind das grüne parkanlagen mit bäumen und dahinter die häuserreihen.für mich ist das alles sehr breit , sehr offen und gross.in der schweiz ist alles viel näher zusammen für meine sichtweise.

Nach dem mittagessen ging es gleich weiter . einige machten den mittagschlaf, andere führten gespräche und ich genoss mein hörbuch weiter.

So gegen 18 uhr sind wir für uns schweizer durch grosse ebenen mit etwas kleinen hügeln , kleinen dörfern und riesigen pflanzplätzen, getreidefelder und äcker in Prag an der Woldau angekommen. Da unser hotel im altstädtischen ring wo kein bus hinkommt. also wird das gepäck mit hotelkleinbusen abgeholt. wir genossen den spaziergang über die Woldau nach dem langen sitzen. schnell eine kalte dusche und nachtessen in einem hohen kellergebäude. nun kommt eine besonderheit der Tschechischen Republik z tage. sie sind in der EU aber wir müssen geld wechseln! danach ziehen meine beiden führer und ich um die häuser und finden die Karlsbrücke . da sehe ich dank der dunkelheit und den lichtern die breite der Woldau . irgendwie in diese dunkelheit gehängt ist licht wie eine beleuchtete wolke oder insel. Es ist die Prager burg und das quartier dazu . auf der gotischen Karlsbrücke von Karl IV gebaut , ist viel leben und strassenmusikanten. einer hat die glasorgel gespielt mit meinem lieblingslied Ave Maria. diese moment sind wunderbar

.
am morgen ging es mit der Prager-führerin in die altstadt. als erstes merkte ich dass ich meinen blindenstock sehr gut gebrauchen kann um die unebenheiten und stufen in diversen höhen zu spühren . dann ist das führen von Conni viel einfacher. Sie muss nicht jedes kleinste hinderniss sagen. aber ansonsten ist der blindenstock nicht sehr gut zu gebrauchen, wenn ich ihn auf diesen strassen einsetze habe ich inert kur zer zeit die schulter kaput. die ganzen strassen sind aus viereckigen pflastersteinen oder mosaiken und unheimlich uneben. immer wieder hörte ich damenschuhe mit hohen absätzen. das müssen die reinsten künstler sein dass sie da keinen fuss brechen! Nun ging es zum Marktplatz. auf der andern seite des platzes war eine kirche voll im sonnenlicht und davor alles im schatten. Ich konzentrierte mich und bekam immer mehr das gefühl im micky maus heft der zauberer oder so zu sein. da erinnerte ich mich an die zeichnung des zauberschlosses mit all diesen türmchen an den 2 grossen türmen .genau so sah ich dieser schatten der kirche.

Dann nahm meine nase pferdegeschmack auf und keine 10 sekunden spatter sagt Donato :Irma etwas nach rechts da kommt eine pferdekutsche welche das hochzeitspaar aus der kirche abholen will. kurz vor 11 uhr füllte sich der platz und alle wollten das glockenspiel hören und sehen. Unten dreht sich ein kreis wo die astrologischen uhr angezeigt ist. oben gingen die zeiger auf 11 uhr und alle rufen aah,ooh und Conni erklärte , dass figuren aus stein oder marmor oberhalb des zifferblattes rauskommen, es sind die 12 apostel. die glocke schlägt 11 uhr und ganz oben auf dem turm spielte ein trumpeter eine schöne melodie. grosser applaus und alles löste sich für eine stunde auf, den um 12 wiedrholt sich das ganze spiel.
Für uns ging es nun zum mittagessen. Die küche von Prag ist irgendwas zwischen österreichisch und ungarisch, aber von keinem was richtiges und gutes. Sie ist vor allem sehr fett. Logischerweise sollte man den wein sein lassen denn da hat es sooooooo gute biere wie das Pils!
Am nachmittag flanierten wir durch die altstadt und bewunderten alle souvenirs aber vor allem die wunderschönen Swarovskiläden, die marionetten alle konkurenz von der puppenkiste in Augspurg und Jim Knopf. nach dem nachtessen ging es wieder auf die karlsbrücke mit Conni und Donato um diese tolle stimmung zu geniessen. Am anderen ufer der Woldau haben wire in café getrunken der wunderbar war (nicht nur gefärbtes wasser wie normal) sondern fast so gut wie in italien. das hatten wir alle richtig genossen.

Samstagmorgen war ein kleiner fussmarsch an die Woldau angesagt und da wartete ein schiff auf uns . jeder tourist muss doch Prag auch von der Woldau aus gesehen haben!

Ich habe der reiseführerin zugehört und vor meinen augen meine nachtbilder mit den lichtern mir vorgestellt. So hatte ich ihre erklärung verfolgt und kann behaupten dass ich von dem turm anfangs der Karlsbrücke ,zur burg bis zum kirchenturm der st.Niklauskirche ( wo schon Mozard die Orgel spielte) und dem alten schwimmbad alles gesehen habe in meiner form.

dann ging es mit dem bus hoch zur burg von Prag vorbei an tierparks welche Karl IV angelegt hat. da sind gehäge mit rotwild . aber er hatte auch gehäge mit löwen. Es hat diesen hügel hoch viel grün .
oben flanierten wir durch wunderbare recht breite strassen wo links und rechts die residenzen der heiligkeit und der nobles von früher sind. Die Pragerburg ist das grösste burggebiet der welt und hat 7 hektaren. eines ist mir aufgefallen in Prag. Wenn die eine schule ,eine Uni, ein museum ecc machen wird nicht ein neues gebäude gebaut . sie nehmen diese wunderschönen alten residenzen oder kirchen. darum ist Prag eine wunderschöne stadt mit alter archidektur in gotik und barock. langsam näherten wir uns dem platz vor der burg wo mir die wunderbare aussicht auf die andern teile von Prag wunderbar beschrieben wurde. beim burgeingang hat es 2 wächter welche vermutlich in London entführt wurden, genau so stramm und ohne ein lächeln. die häuser sind aneinandergebaut wie eine burgmauer . vor einem grossen bogen und einem tunnel sagte die reiseleitern dass alle die letzten 2 meter die augen schliessen sollten. Danach sei eine grosse überraschung. als es wieder heller wurde nach dem tunnel hatte ich das gefühl dass ein minimum 100 meter hoher schatten mit vielen spitzen an den 2 türmen auf mich runterfällt. Da stand der St. Veitsdom keine 10 meter vor uns. Ich hatte an den mauern nicht 2 meter ebene fläche ertastet sondern nur kanten, ecken und stucken!. Der dom wurde in gotik begonnen und im jahre 1928 fertiggestellt. Das ist ein typisches beispiel von Prag. nichts wurde demoliert. Es wurde am vorhandenen im neuen stiel weitergebaut. im dom habe ich 2 grosse kirchenfenster nebeneinander gesehen.beide fenster sehr hoch und oben rund. aber die schatten waren in einem fenster viel kleiner als im andern.das eine war im mosaikstil aus glas gemacht und das andere war glasmalerei und dadurch die schatten der verschiedenen farben viel grosser.
weiter gin es durch engere strassen vorbei an den gebäuden der verarmten noblesdamen welche gar nicht klein waren. da haben diverse adelsherren sich ihrer damen entledigt um vermutlich jüngeres blut neben sich zu haben!
Schon war mittagessen in einem klostergebäude . der verdauungsspaziergang war durch blühende parks und vielen souvenirläden in sehr kleinen bunt bemalten häusern (das golden gässchen wo im haus 22 auch Kafka wohnte ) vorbei richtung der burgtreppe zum bus und zurück ins hotel . wo es nach dem nachtessen hinging kann man erahnen…..auf die Karlsbrücke und ins café auf der anderen Woldauseite.
sonntagmorgen wurden alle koffern gepackt und im hotelzimmer gelassen. wir spazierten richtung jüdisches quartier. der erste schock bekam ich als die reiseführerin sagte dass die gebäude den 2. Weltkrieg überlebt haben weil Hittler aus diesem “Ghetto” ein museum der ausgestorbenen rasse machen wollte. aus einer synagogue wurde ein museum gemacht wo unter anderem auch viele gegenstände aus dem konzentrazionslager Theresienstadt sind. es hat einen saal wo man am anfang eine koffer aus dieser zeit sieht und dann sind briefe und zeichnungen von kinder hinter glas. da war ich das erste mal froh dass ich so schlecht sehe. als eine führerin einen brief vorlesen wollte hat sie nach dem dritten satz nicht mehr sprechen könen vor trauer und frust.eine andere hat ein bild beschrieben wo viele nackte menschen wie ein berg aufeinander liegen ode rein anderes bild wo eine frau unter der dusche vor demo fen steht. Wir gingen alle sehr in gedanken versunken aus diesem raum.
der jüdische friedhof wurde im 15 jahrhuntert angelegt. bis zum ende des 18 jahrhundert wurden wegen platzmangel bis zu 12 schichten tote begraben.im jüdischen glauben darf man die erde wo tote begraben sind nicht mehr anfassen. darum sind die grabsteine sehr eng nebeneinander ,nichts gerade, aber gut erhalten. es gibt auch keine blumen.man legt steine aus dem garten oder dem gebäude wo der tote gelebt hat auf seinen grabstein anstelle von blumen.in diesem friedhof liegen etwa 100 000 tote.
dann kamen wir noch an einer synagogue vorbei welche noch benutzt wird.da ist ausserhalb der synagogue ein rundgang angebaut mit schlitzen in die synagogue rein. das wurde gemacht dass die frauen auch an der messe teilnehmen können. die jüdischen frauen dürfen sonst nicht in die synagogue rein.
nach dem mittagessen im hotel ging es wieder zu fuss über die Woldau wo der bus schon beladen mit den koffern wartete. nun ging es auf der autobahn zurück nach München.man kann ja München nicht verlassen ohne in einem bierkeller gewesen zu sein! der Augustinerkeller hat in einem seiner grossen räumen viele tessiner lieder gehört. als dann noch eine gruppe sardine dazu kam welche den natzionaltag von Italien feierten , war dieser teil ganz italienisch sprechend. An einem tisch sasen 5 echte Müncher. ich hörte es am dialect. sie sagten mir dass sie schon lange nicht mehr einen so stimmungsvollen abend gehabt hätten und sich nie gedacht hätten dass blinde ein so aufgestellter haufen sein können!
Am Montag morgen war eine stadtrundfahrt mit einer Münchrer-reiseführerin. Sie hat alles wunderbar erklärt. Dass man aber alle 5 minuten betonen muss dass die Münchner geld hätten, das leben geniessen können wie sonst niemand fand ich nicht nur daneben sondern schon sehr arogant. habe danach leider auch einige recht harte worte unsere gruppe gegen die Bayern gehört. dabei kenne ich so liebe Bayern. Aber einer kann leider einen schlechten ruf sofort wieder bestätigen, schade!
München ist eine wunderbare stadt mit viel grün. Das habe ich an diesem morgen realisiert. Da müsste man nochmals hin! Nach einem händel mit kartoffelsalat und einem bier ging es auf den heimweg.
Bin müde aber zufrieden um 22 uhr zu hause angekommen.

habe versucht mal zu beschreiben wie ich so eine reise empfinde und "sehe". da ich weis dass es sehr schwirig ist zu verstehen wie stark sehbehinderte oder gar blinde so reiselustig sein können. vielleicht versteht ihr nun etwas besser dass wir blind sind mit den augen aber nicht mit all anderen sinnen. diese idee des berichtes kam mir nach der diskusion essen im dunkeln. wenn es euch interessiert kann ich etwa in 3 wochen nochmals einen bericht schreiben. ich gehe für 4 tage mit unserer tandemgruppe nach cremona.
liebe grüsse an alle birba

Antworten

  • MyHandicap User
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    Hallo birba!
    Ich finde es sehr schön wie du eindrücke in Worte wieder geben kannst. Als ich deinen Bericht gehört habe bin ich auch durch Prag geschlendert. Ich habe die Tour durch Prag sehr genossen.

    Oldman

  • MyHandicap User
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    Hallo Birba,

    vielen Dank für deinen ausführlichen und besonders interessanten Reisebericht. Super, dass du uns an deinen Eindrücken und Erlebnissen teilhaben lässt!

    Ganz liebe Grüße von
    Michaela

    PS: Wir freuen und immer sehr über Reiseberichte. Gerne würden wir auch den ein oder anderen Bericht in unserem Infobereich vorstellen. Wer seine Berichte lieber im Forum postet, ist fein. Wer sie mit ein paar Fotos gern an uns schicken möchte, schreibt bitte an:
    redaktion(at)myhandicap.de


  • Liebe Birba,

    Super, ein wirklich toller Bericht. Besonders die Übersetzung fand ich Klasse da ich als "sehender" Mensch mir nur schwerlich vorstellen kann wie es ist nichts bzw. sehr wenig sehen zu können. Nur mal 5 oder 10 Minuten die Augen zuzumachen vermittelt einem ja nicht wirklich wie es ist Blind zu sein. Auch hat man nicht den Eindruck das du nichts siehst bzw.wenig, weil du halt anders deine Umwelt wahrnimmst du also sozusagen eine "anders sehende " bist. Ich würde mich auf jedenfall über weitere Berichte dieser Art freuen, da ich immer bemüht bin mich in andere Menschen hineinzuversetzen und mir dein Bericht dabei sehr geholfen hat. Bitte mach weiter so.

    VLG Proxyma
  • MyHandicap User
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    Hallo Birba!

    Lieben Dank für Deinen Bericht,dem Hoffentlich noch viele folgen.

    Ich habe Deinen Beitrag sehr genoßen und werde in gerne nochmals lesen.

    Besonders gefallen hat mir,als Du geschrieben hast,das Du Pferdegeruch wargenommen hast und die Kutsche dann auch kam.

    Viele Sinne sind Sehenden verloren gegangen,daher ist es sehr gut,wenn wir Ausführungen von Sehbehinderten erleben dürfen.
    Hast Du ganz Toll gemacht.
    Gruß
    SENDRINE 😺